Mehr als ein Jahr ist seit der Wahl vergangen. Welches Zeugnis stellen Sie der Vierer-Koalition (SPD, FDP, Grüne, UW) und so der Ratsmehrheit aus? ...
Kurt Nagel (re.) und Lothar Gohmann »Unsere Note für die Koalition: mangelhaft«
Redaktionsgespräch mit CDU-Stadtverbandschef Lothar Gohmann und Fraktionschef Kurt Nagel
Mehr als ein Jahr ist seit der Wahl vergangen. Welches Zeugnis stellen Sie der Vierer-Koalition (SPD, FDP, Grüne, UW) und so der Ratsmehrheit aus? Lothar Gohmann: Viele Köche verderben den Brei. So ist es mit der Vierer-Koalition. Bisher hat sie nichts Vernünftiges zustande gebracht. Begonnen hat es mit der sinnlosen Forderung nach einem Technischen Beigeordneten. Es endet vorerst mit einem Doppeletat 2010 /2011, der gegen geltendes Recht verstößt und so durch die Aufsichtsbehörde abgelehnt wurde. Note: mangelhaft.
Wie bewerten Sie als Opposition Ihre Arbeit? Kurt Nagel: Die Entscheidungen des ersten Jahres der Ratsperiode lassen unsere Handschrift klar erkennen. Es ist uns bei vielen Entscheidungen gelungen, für unsere Überzeugung Mehrheiten zu finden. So haben wir einem Fußweg über den Karbach durchgesetzt, auch wenn jetzt das Geld fehlt, obwohl das Projekt mit bis zu 80 Prozent gefördert worden wäre. Tragisch für unsere Stadt ist, dass uns das bei der Verabschiedung des Etats 2010 und später beim Doppeletat nicht gelungen ist. Die Folgen der Fehlentscheidung der Vierer-Koalition sind durch die Kommunalaufsicht erkennbar herausgestellt. Natürlich wäre es auch für uns nicht möglich gewesen, den kurzfristigen Haushaltsausgleich darzustellen. Aber es ist zwingend notwendig, mit aufrichtigen Konsolidierungsmaßnahmen ein tragfähiges Haushaltssicherungskonzept aufzustellen, das uns dann nicht vollständig entmündigt.
Was wäre in Bad Oeynhausen heute anders, wenn sie seit der Wahl an der Spitze einer Ratsmehrheit gestanden hätte?Gohmann: Auch wir hätten kurzfristig keinen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen. In diesen Zeiten ist Zurückhaltung geboten. Stattdessen bombardiert die Vierer-Koalition die Verwaltung mit Fraktionsanträgen. Die Palette reicht von der Einführung einer Ehrenamtskarte bis zur Intensivierung der Städtepartnerschaft. Dieser blinde Aktionismus bindet Ressourcen, ist kontraproduktiv. Nicht alles, was wünschenswert ist, muss in schlechten Zeiten umgesetzt werden. Unser Hauptaugenmerk hätten wir auf die Konsolidierung des Haushalts gelegt. Dabei müssen Gebäudebestand und Beteiligungen auf den Prüfstand. Von Anlagevermögen muss man sich trennen, wenn Erträge niedriger als Schuldzinsen sind.
Die Koalition hat mehr als 50 Prüfaufträge gestellt, um weitere Einsparmöglichkeiten auszuloten. Ist dies ein sinnvoller Beitrag zur Konsolidierung?Gohmann: Ich denke, dass niemand die Vielzahl der Prüfaufträge durchblickt. Zudem fehlt eine Zeitschiene, in der das Pensum abzuarbeiten ist. Man hätte sich vor der Verabschiedung des Doppeletats präzisere Gedanken über Einsparungen machen sollen - so beim Gebäudemanagement. Bis zur Aufstellung des Etats 2012 sind die Prüfaufträge abzuarbeiten.
Hinter vorgehaltener Hand ist auch aus der CDU zu hören, dass Fraktion und Partei gegenüber dem SPD-Bürgermeister einen zu zahmen Kurs steuern. Ein berechtigter Vorwurf?Nagel: Nein. Wir steuern einen klaren Kurs. Dabei treffen wir auf keinen Widerstand beim Bürgermeister, der keine politische Hausmacht hat und keinen erkennbaren Kurs vorgibt. Oder erkennen Sie bei ihm politische Ziele und konsequenten Führungsstil?
Wie gehen Sie als Opposition mit der Ablehnung des Doppeletats durch den Kreis um? Müssen Sie von Positionen abrücken, die Sie jüngst noch vertreten haben? So hatte die CDU noch im November die Erhöhung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer auf Landesniveau als kontraproduktiv bezeichnet - genau dies fordert aber jetzt der Landrat.Gohmann: Steuererhöhungen, gleich welcher Art, sind derzeit nicht hilfreich. Richtig ist, dass wir durch die Landesregierung indirekt gezwungen werden, die Hebesätze auf Landesdurchschnitt anzuheben. Wenn wir dies nicht tun, wird bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung ein fiktiver höherer Hebesatz berücksichtigt. Das führt zu erheblichen Mindereinnahmen der Stadt. Daher fordern wir gestaffelte fiktive Gewerbesteuerhebesätze, um Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Auch müssen die Soziallasten einer Kommune bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen stärker berücksichtigt werden. Sofern sich Rahmenbedingungen nicht deutlich ändern, stimmen wir Erhöhungen der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer nicht zu.
Mit Landeschef Dr. Norbert Röttgen steuert die CDU einen neuen Kurs in der Schulpolitik. Wie bewerten Sie dies?Nagel: Zum einen war ich immer überzeugter Vertreter des gegliederten Schulsystems; dabei bleibt die Landes-CDU. Problematisch sehe ich, der jetzt die Existenzberechtigung abzusprechen und mit Schulformen zu experimentieren. Zum anderen haben ich ein Problem, Schulpolitik zum Spielball der jeweiligen Landesregierung zu machen. Das hilft niemandem. Ich erwarte einen nachhaltigen Kurs.
Was bedeutet dies für die Schullandschaft vor Ort, speziell für die Hauptschule?Gohmann: Wir brauchen die Vielfalt und Auswahl unseres Schulsystems. Daher stehen wir zur Hauptschule. Nach dem Schulentwicklungsplan werden die Schülerzahlen bis 2016 geringfügig, um etwa sechs Prozent, sinken. Wir sehen so derzeit keinen Handlungsbedarf. Die Hauptschule ist bestens aufgestellt. Viele Kooperationen mit Handel und Industrie unterstreichen es. Aufgrund abnehmender Schülerzahlen infolge des demographischen Wandels werden wir uns mittel- bis langfristig Schulverbünden und Kooperationen nicht verschließen. Wohnortnahe Schulqualität ist wichtig. Es gibt mit uns keine verordnete Gemeinschaftsschule. Der Elternwille entscheidet.
Wie sehen Sie die Klage der Opposition (CDU und FDP) im Landtag gegen den Nachtragsetat der Regierung Kraft? Kann der Streit vor dem Verfassungsgericht Neuwahlen auslösen?Nagel: Ja. Ob er es tut, bleibt abzuwarten. Dem desaströsen Start der Regierung Kraft, die ziemlich abgetaucht ist, können doch nicht stets neue Notlandungen aufgrund von Orientierungslosigkeit folgen. Ein Finanzminister, der 1,3 Milliarden findet und das nicht erklären kann, ich bitte Sie, ist doch indiskutabel und muss unverzüglich abgelöst werden.
Wo will die CDU in Bad Oeynhausen 2011 und bis zur nächsten Wahl Schwerpunkte setzen? Ist dies angesichts knapper Kassen überhaupt möglich oder versandet jeder Vorschlag mit dem Vermerk »nicht zu bezahlen«?Gohmann: Oberstes Gebot ist sparsame Haushaltspolitik. Wir werden unsere Arbeit nicht einstellen und weiter Vorschläge zur Kostenreduzierung, aber auch für sinnvolle Investitionen machen. Den Bestand erhalten hat Priorität. Vorläufig müssen wir wünschenswerte Vorhaben wie Kombibad und Kunstrasenplatz begraben.
Derzeit wird über das weitere Verfahren zur Gestaltung der nördlichen Innenstadt mit dem Bereich Mindener Straße und Kanalstraße diskutiert. Dabei ist die Veränderung nach Freigabe der Nordumgehung, voraussichtlich 2014, im Blick. Welche Vision hat die CDU?Nagel: Es gibt Leute, die meinen, wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Das teilen wir so nicht, gleichwohl herrscht bei uns Realismus. Der Einstieg in die erforderlichen Planungen zur städtebaulichen Entwicklung des Bereiches Hockeyplatz-Stadion kommt viel zu spät. Es bedurfte erst eines Ratsbeschlusses, bis der Bürgermeister es endlich schaffte, die erforderliche landesplanerische Anfrage an die Bezirksregierung zu stellen. Dieser Verfahrensschritt ist Grundlage für den jüngsten Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses, die verkehrliche Anbindung des Bereichs untersuchen zu lassen. Es geht darum, im ersten Schritt die Zustimmung der Landesplanung zu erreichen. Es geht nicht darum, aus der Mindener Straße eine Spielstraße zu machen. Das ist Unsinn. Die Mindener Straße wird nach Fertigstellung der Nordumgehung eine Haupterschließungsstraße sein. Bevor wir nicht wissen, was wir an dieser Stelle dürfen, bringen Visionen nur mehr Verwirrung. Klar ist: Es darf kein neuer Handel als Konkurrenz zum Stadtzentrum entstehen. Ein Baumarkt kann eine mögliche Nutzung sein. Damit einhergehen muss die Lösung der Sportplatzfrage. Für das jetzige Stadion muss Ersatz an anderer Stelle geschaffen werden. Das Areal sehe ich zurzeit aber nicht.
Welche Möglichkeiten eröffnen sich Bad Oeynhausen durch die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen? Welche Ansätze sehen Sie für die Gas- und Stromversorgung, die Zukunft der VHS und die Ausweisung von Gewerbegebieten?Gohmann: Was die interkommunale Zusammenarbeit angeht, so ist Bad Oeynhausen im Dornröschenschlaf. Und gerade hier könnten Synergien genutzt und Kosten reduziert werden. Warum gibt es keine Sammelbeschaffung im Bereich Waren und Dienstleistungen? Insbesondere in den Bereichen Feuerwehr- und Kommunalfahrzeuge, Informationstechnik, Rechnungsprüfung und Gebäudewirtschaft können Kosten eingespart werden. Viel zu spät wird eine Zusammenarbeit mit anderen Kommunen geprüft, leider nur im Bereich Energieversorgung und der Volkshochschule. Die Ausweisung gemeinsamer Gewerbegebiete wurde bislang nie ernsthaft geprüft.
Was ist Ihre Einschätzung zum Vorwurf der Insolvenzverschleppung bei den Stadttöchtern ZTB und DVC? Nach den jüngsten Beratungen im Finanzausschuss zeichnet sich ab, dass die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung die stille Beteiligung an der PAZ längstens bis September 2011 duldet. Welche Auswirkungen hätte ein Ende der Beteiligung aus Ihrer Sicht?Nagel: Eine Insolvenzverschleppung liegt nicht vor. Es zeichnet sich nicht ab, dass die Bezirksregierung die stille PAZ-Beteiligung längstens bis zum 30. September duldet. Das steht seit Jahren fest. Wichtiger ist, dass die Bezirksregierung meint, etwas verantwortungsvoll zu dulden, was sie in den 1990er Jahren genehmigt hat. Zu den Auswirkungen: Einem politischen Spielball würde die Luft ausgehen. Auswirkungen auf den Stadtetat hätte es nicht.
Die Deutsche Bank streitet sich vor dem Bundesgerichtshof mit einem Hygienebedarfs-Hersteller über riskante Zinswetten. Es geht um die Frage, ob die Bank richtig aufgeklärt hat. Sollte das Gericht zu Gunsten des Unternehmens entscheiden, würden Sie mit Blick auf die Zins-Wettgeschäfte der Stadt erneut über eine Klage gegen die West LB nachdenken?Nagel: Sind die Fälle vergleichbar? Das wäre zu klären. Grundsätzlich schließe ich es nicht aus.
Es ist Zukunftsmusik, dennoch sei die Frage erlaubt: Was muss Frau oder Mann mitbringen, der 2015 als CDU-Bürgermeisterkandidat antritt?Gohmann: Bei der letzten Kommunalwahl sind wir mit einem auswärtigen und relativ unbekannten Kandidaten angetreten. Das Ergebnis ist bekannt. Sie oder er sollte als Kandidat in der Stadt verwurzelt sein und nach Möglichkeit auch einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Bürgernähe, Glaubwürdigkeit und wirtschaftliches Denken gepaart mit Verwaltungserfahrung und Führungskompetenz sind Grundvoraussetzungen für die Kandidatur.