Brok fordert Solidarität
Verantwortlich für den enormen Flüchtlingszustrom seien Globalisierung, Klimawandel und kriegerische Konflikte. Brok nannte das Flüchtlingsdrama einen »Proxi-War«, zu deutsch einen »Stellvertreterkrieg«. »Wir erleben quasi eine neue Völkerwanderung«, führte er mit Rückblick auf die Geschichte aus: »Allein zwölf Millionen Flüchtlinge um Syrien und Irak herum.« Dies zu bewältigen werde Jahre dauern, erfordere Geduld und Konsens. Kurzschlussreaktionen seien kontraproduktiv, mahnte der Politiker: »Lieber zehn Jahre verhandeln als ein Jahr Krieg.« Bei aller Empathie für die Nöte einzelner Länder forderte der Humanist Brok einen Schulterschluss Europas, letztlich vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes: »Wir können nicht nur, wir müssen es uns leisten, diese Dramatik mit aller Mühe zu beenden.«
Der Europaparlamentarier lobte die aktuelle Verabschiedung des Asylpakets II. Konsequentere Organisation und optimierte Logistik seien zwingend erforderlich. Doppelregistrierungen müssten unterbunden, Abläufe beschleunigt werden. »Dann wird auch in der Bevölkerung das Vertrauen wieder wachsen, dass wir damit fertig werden.« Eindringlich, fast beschwörend mahnte Brok, Neid und Missgunst dürften keinen Platz beanspruchen in dieser Diskussion. »Wir müssen von unserem Reichtum abgeben, damit wir nicht am Ende selber verarmen«, forderte er mit Blick auf die hohe Exportabhängigkeit Deutschlands – weniger Sentimentalität als klare Berechnung. Gute Handelsbeziehungen könnten aber auch zukünftig nur vor dem Hintergrund gegenseitiger internationaler Wertschätzung gedeihen. Abschottung, Nationalismus und Alleingänge seien höchst kontraproduktiv – und gefährlich: In diesem Zusammenhang nannte Elmar Brok die Sprache von AfD, Le Pen und anderen »beängstigend«.
Eine feine Unterströmung aus jahrzehntelanger politischer Erfahrung und gereiften humanistischen Idealen wurde spürbar, als Brok seine Ausführungen auf eine zentrale Aussage verdichtete: »Nationalismus ist Ausdruck von Minderwertigkeit«. Und mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in den Nachbarländern: »Wollen wir etwa 25 Jahre nach dem Fall der Mauer wieder Stacheldraht um jedes Land ziehen?« Eine Frage, die wie eine Drohgebärde über dem Ausklang des Vortrags schwebte.